Jamaika ist gescheitert – wie weiter, Deutschland?

Jamaika, Neuwahlen, Bundestagswahl, VerfassungsrechtDie Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen zur Bildung einer gemeinsamen Regierungskoalition, einer s.g. Jamaika-Koalition, sind gescheitert. Die FDP hat die Beratungen nach ca. fünf Wochen in der Nacht von Sonntag auf Montag abgebrochen. Nun stellt sich die deutsche Öffentlichkeit die Frage, wie es weitergeht. Findet sich doch noch eine mehrheitsfähige Regierung – etwa eine Große Koalition durch ein Umdenken bei der SPD-Fraktion? Oder toleriert beispielsweise die FDP eine schwarz-grüne Minderheitsregierung oder die AfD gar eine schwarz-gelbe? Oder aber gibt es am Ende doch Neuwahlen?

Bundespräsident appelliert an Jamaika-Sondierer

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner hat die Jamaika-Sondierer und die anderen in Fraktionsstärke im Deutschen Bundestag vertretenen politischen Parteien in einer ersten öffentlichen Stellungnahme zu Besonnenheit aufgerufen. Das Staatsoberhaupt sagte, man könne die durch den Wählerauftrag vermittelte politische Verantwortung für die Bundesrepublik Deutschland nicht einfach zurückgeben. Er kündigte an, in den nächsten Tagen und Wochen Gespräche sowohl mit den Vorsitzenden der politischen Parteien als auch mit Vertretern der obersten Verfassungsorgane des Bundes führen zu wollen.

Steinmeier kommt entscheidende Rolle zu

Die verfassungsrechtliche Situation, in der sich Deutschland nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition befindet, ist bisher noch nicht da gewesen. Das Grundgesetz, geprägt durch die Erfahrungen in der Weimarer Republik, will eine schnelle Abfolge von Wahl und Neuwahl verhindern; es hat als eines der obersten staatsorganisationsrechtlichen Prinzipien die Rechtssicherheit in ihrer Ausprägung als Regierungsstabilität im Blick. Dies hat auch Bundespräsident Steinmeier zum Ausdruck gebracht. Es scheint daher unwahrscheinlich, dass es zu schnellen Neuwahlen kommt.

Nach Jamaika: Welche Möglichkeiten gibt es?

In der Vergangenheit haben einige Bundeskanzler – zuletzt Gerhard Schröder – vorzeitige Neuwahlen dadurch herbeigeführt, dass sie anlässlich einer Vertrauensfrage im Parlament nicht die erforderliche Mehrheit erhielten und daraufhin den Bundespräsidenten ersucht haben, den Deutschen Bundestag aufzulösen. Diese Möglichkeit ist Angela Merkel jedoch verwehrt, da sie – gemeinsam mit den anderen Ministern – seit der Konstituierung des 19. Deutschen Bundestages nur noch geschäftsführend im Amt ist. Zwar hat sie mit Blick auf die Regierungsgeschäfte die gleichen Kompetenzen und Befugnisse wie ein regulär gewählter Kanzler. Jedoch ist ihr die Vertrauensfrage verwehrt, da sie vom aktuellen Parlament nie gewählt wurde.

Minderheitsregierung oder Neuwahlen

Das verfassungsrechtliche Prozedere, welches die derzeitige Situation regeln soll, findet sich in Artikel 63 des Grundgesetzes. Danach wird Bundespräsident Steinmeier Angela Merkel – oder eben einen anderen Abgeordneten – als Bundeskanzler vorschlagen. Dieser benötigt im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit, die der Kandidat in Anbracht der Mehrheitsverhältnisse vermutlich nicht erreichen wird. Anschließend kann – nach mindestens zwei Wochen – ein zweiter Wahlgang im Bundestag stattfinden, indem dann eine relative Mehrheit der Stimmen ausreicht. Dies ist schon deutlich wahrscheinlicher – zumal selbst beim Scheitern des zweitens noch ein dritter Wahlgang stattfinden kann.

Wird also auf diese Weise ein neuer Kanzler – oder eine neue Kanzlerin – bestimmt, kann der Bundespräsident sie oder ihn ernennen – oder aber den Bundestag auflösen und Neuwahlen ausrufen. Letzteres erscheint aus Sicht des Präsidenten beispielsweise dann sinnvoll, wenn sich abzeichnet, dass keine Fraktion eine wie auch immer geartete Minderheitsregierung tolerieren würde.

Kommt es jedoch zu einer Minderheitsregierung, könnte der Kanzler (oder die Kanzlerin) dann wiederum eine Vertrauensfrage stellen – zum Beispiel zu dem Zeitpunkt, an dem sich aus den Wahlumfragen signifikant geänderte Mehrheitsverhältnisse abzeichnen. In diesem Fall kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen und auf diese Weise Neuwahlen erreichen.

Wir dürfen gespannt sein und werden Sie an dieser Stelle über die verfassungsrechtlichen Implikationen weiter auf dem Laufenden halten.